Politik steht zu Genossenschaften
„Traditionsbewusst, aber dennoch modern – diesen Gedanken lebt das Genossenschaftswesen. Dabei sind Genossenschaften ein gelungenes Beispiel für Solidarität, Verantwortungsbereitschaft und Unabhängigkeit“, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann beim dritten Zukunftsforum Genossenschaft in Stuttgart. „Das Genossenschaftsmodell ist im Grunde zeitlos und auch heute noch auf viele Lebens- und Wirtschaftsbereiche anwendbar. Die Vielfalt der genossenschaftlichen Angebote zeugt davon. Ich bin mir sicher, dass das Genossenschaftswesen in Baden-Württemberg beste Zukunftschancen hat. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie wir genossenschaftlich, solidarisch und selbstbestimmt auf die Herausforderungen unserer Zeit antworten können.“
BWGV-Präsident Glaser erklärt, ebenfalls auf dem Zukunftsforum Genossenschaften, warum die genossenschaftliche Rechts- und Unternehmensform für auf Zukunftsthemen ausgerichtete Unternehmen so attraktiv macht? „Kooperationen werden immer wichtiger – und wer könnte mehr Erfahrung bei der Umsetzung von Kooperationen haben als Genossenschaften, deren Kern Zusammenarbeit und konstruktives Miteinander ist“, betonte Glaser. Außerdem seien die demokratische, auf Mitglieder basierende Aufbaustruktur sowie die einzigartige Verknüpfung von wirtschaftlichem Erfolg mit sozialer Verantwortung entscheidende Erfolgsfaktoren von Genossenschaften. „Dies schafft eine hohe Legitimation und Akzeptanz für notwendige und sinnvolle Veränderungen, die in vielen Bereichen unserer Wirtschaft und Gesellschaft gerade stattfinden“, betonte Glaser damals.
Stärke der Genossenschaft
Genau dieses zeigte sich in den letzten fünfzig Jahren auch bei der Blumengroßmarkt Stuttgart eG. Sie hat, mit einem umfangreichen Bündel von Dienstleistungen, für die angeschlossenen Betriebe einen florierenden Blumengroßmarkt geschaffen. Mit viel Fleiß, Zusammenhalt der Mitglieder und finanziellem Risiko hat die Genossenschaft auf städtischem Grund und Boden investiert und die logistisch notwendige Kunden-Ladehalle sowie überdachte Parkmöglichkeiten gebaut. Für die 50 Mitglieder mit 300 Mitarbeitern damals keine leichte Aufgabe.
Der Wert laut Gutachten liegt bei 3,8 Millionen Euro. Zu den angemieteten Hallen sind aus der Historie heraus drei einzelne Hallenmietverträge entstanden.
Wechselnde Verantwortliche
Seitens der Stadt waren es viele und immer wieder wechselnde Verantwortliche, welche diesen Wachstumsprozess der Blumengroßmarkt Stuttgart Genossenschaft begleitet haben. Ob strategisch geplant oder einfach nur „hemdsärmelig“ hat offensichtlich dabei keiner dieser Verantwortlichen daran gedacht, alle Hallen in einen Mietvertrag zusammenzufassen. Dies wird der Genossenschaft nun zum Verhängnis.
Deren Bestreben (2015) notwendige Sanierungskosten der Kundenladehallen unter den Märkten Stuttgart, der Erzeugergenossenschaft Landgard und der Blumengroßmarkt Stuttgart Genossenschaft aufzuteilen, führte flugs zur Kündigung der Hallenverträge.
Verhandlungen über einen einheitlichen Mietvertrag mit Märkte Stuttgart wurden seitens der Stadt mit Klauseln vorgeschlagen, die für die Genossenschaft jedoch nicht tragbar sind.
Sanierung der Kunden-Ladehalle
Die Blumengroßmarkt Stuttgart Genossenschaft stimmte trotz ihres vertraglich gesicherten „Alleinverkaufsrechts“ zu, dass die Erzeugergenossenschaft Landgard sich direkt gegenüber ansiedelte. Deren Kunden sowie Kunden der Märkte Stuttgart nutzen ebenfalls die gebaute Kundenladehalle des BGM Stuttgart. Daher wäre es eigentlich mehr als recht, wenn sich alle Parteien an den Kosten beteiligen. Als die Kundenladehalle gebaut wurde, ging es der Stadt Stuttgart sehr schlecht. Daher hat die Blumengroßmarkt Stuttgart Genossenschaft damals alleine die Kosten getragen. Dafür gibt es nun anstatt Dank den Fußtritt nach draußen.
Historie zum Blumengroßmarkt
Im Dezember 1968 stimmte der Gemeinderat zu, dass der Blumengroßmarkt zukünftig nicht mehr von der Stadt sondern in eigener Regie (mit Alleinverkaufsrecht) betrieben wird. Anstatt an dieser Stelle gemeinsam annehmbare Vorschläge zu erarbeiten, wurden mal flugs die Mietverträge gekündigt und mittlerweile die Räumungsklage betrieben. Bei den vorangegangenen Verhandlungen sollte die Genossenschaft mit einem Zehntel des erstellten Gutachtens abgespeist werden. Etwas, was die verantwortlichen Vorstände der Genossenschaft natürlich nicht akzeptieren können.
Sie sind den Genossenschaftsmitgliedern Rechenschafft schuldig für diese „kleine Differenz“ von 3,4 Millionen Euro.
Lapidar erklärte Roger Bohn, RA der Stadt Stuttgart: „Ich bin der Meinung Sie haben nicht einmal das Recht auf überhaupt eine Entschädigung. Dies ist daher ein sehr großzügiges Angebot. Hier liegt der Vertrag, den können sie sofort unterschreiben.“
In meinen Ohren klang das so etwa wie: „Unterschreiben sie jetzt, bevor es überhaupt nichts mehr gibt!“ Mit jedem weiteren Wort von Roger Bohn war die eindeutig starre Haltung erkennbar. Die unbequeme Genossenschaft soll raus, damit das Geschäft zukünftig selber gemacht werden kann. Und das auch noch mit dann „eigener Kunden-Ladehalle“.
Die Aussage des Finanzbürgermeisters „Für etwas, das nicht der Stadt gehört, gebe ich kein Geld für Sanierung aus…“ bekommt da doch gleich eine entsprechende Gewichtung.
Märkte Stuttgart interessiert es auch nicht, dass die Mitglieder einheitlich weiter von der Genossenschaft betreut werden wollen.
Rechtliche Betrachtung beim Gütetermin
Richter Horst vom Landgericht Stuttgart betrachtete beim Gütetermin die Kündigung der drei Hallenverträge. Seiner Ansicht nach können die Verträge gekündigt werden. Ist rechtlich damit alles klar? Natürlich nicht, die Kundenladehalle gehört ja der Genossenschaft. Genutzt wird sie jedoch von drei Parteien. Seit 2015 ist sie daher die Zündschnur des schwelenden Streits.
Betrachtet man alleine die Kundenladehalle ist sie für die Genossenschaft nutzlos. Ohne die bereits gekündigten Verkaufshallen hat sie keinen wirtschaftlichen Wert.
Kann die Ladehalle sowie die Verkaufshallen also als eine wirtschaftliche Einheit bezeichnet werden? Laut Herr Hellenschmidt, RA der Genossenschaft, ist das so. Dann dürfte allerdings die Kündigung der drei Hallen nicht in Ordnung sein. Richter Horst erläuterte dazu: „ es dürfe dann nur alles gemeinsam gekündigt werden. Ein Vermieter kann ja auch nicht das Wohnzimmer kündigen ohne den Rest der Wohnung…“
Dazu kommt eine weitere Tatsache: Nach der Räumungsklage hat Märkte Stuttgart einen Brief zur Festsetzung der Mieterhöhung verschickt. Dies könnte konkludent die Kündigung rückgängig gemacht haben und die Räumungsklage eventuell aufheben.
„Aus Versehen sei dies geschehen“ der Kommentar von Roger Bohn (Anwalt Märkte Stuttgart) dazu. “Bei 400 Formbriefen halt ein Irrtum.“
Nachdem die verschiedenen Argumente ausgetauscht wurden, versuchte Richter Horst noch einmal zu vermitteln. Trotz der speziell dazu gemachten Pause führte es nur ins Nirgendwo. Märkte Stuttgart bleibt bei ihrer starren Haltung.
Wie geht es weiter?
Kommt es nun zur Trennung ist der Streit noch nicht beendet. Es wird dann wohl gerichtlich um die Wertdifferenz von 3,4 Millionen € gestritten. „Groß gegen klein“ kamen die Worte des RA der Märkte Stuttgart unterschwellig schon einer „Enteignung“ gleich. Denn ein Standpunkt „unser Meinung nach brauchen wir überhaupt keine Entschädigungszahlung zu machen“ klingt schon sehr verdächtig danach.
Fazit
Die starre Haltung der Märkte Stuttgart lässt daher eigentlich nur eines vermuten: her mit der Kundenladehalle zum Spotpreis von 421.000 € (Wert 3,8 Millionen €). Die Mitglieder der Genossenschaft zu neuen Verträgen zwingen und weiter mit eigenem Gewinn ohne „unbequeme“ Genossenschaft. Denn, unterschwellig entsteht der Eindruck seitens Märkte Stuttgart, dass diese ja alles dafür getan haben, um die Verhandlungen zum Erfolg zu führen. Die Blumengroßmarkt Stuttgart Genossenschaft dagegen einfach nicht bereit seien, eine Einigung zu erzielen. Ist es vielleicht aber nicht eher so dass der Vertrag als unannehmbar vorgelegt wurde?
Die Genossenschaft ist jedoch definitiv für eine Einigung. Dazu müssten aber reale und annehmbare Werte einer Entschädigungszahlung vorhanden sein.
Nächster Termin am Landgericht Stuttgart ist am 7. April 2020. Bis dahin muss Richter Horst die Fakten überdenken, um dann ein Urteil zu sprechen.